Bodenmarkierungen in einer modernen Industriehalle mit orangefarbenem Schutzhelm auf dem Boden und Warnkegel im Hintergrund

Wege, Warnungen, Wirkungen – mehr Übersicht im Betrieb

  • Veröffentlicht am
  • Veröffentlicht unter Sonstige

In Industriehallen und Werkstätten, in Lagerbereichen und auf Betriebshöfen, sogar in Arztpraxen und Bildungseinrichtungen – überall dort, wo sich Menschen und Maschinen gemeinsam bewegen, braucht es Orientierung. Doch während Wegweiser an Wänden oder Decken leicht übersehen werden, wirken optische Hilfen auf dem Boden direkter. In vielen Unternehmen ist genau das der Wendepunkt: Strukturen werden sichtbar, Abläufe sicherer, Reibungsverluste geringer.

Der Beitrag zeigt, wie durchdachte visuelle Systeme Klarheit schaffen – ohne große Investitionen, aber mit hoher Wirkung. Es geht nicht um Farbe auf Beton, sondern um ein unterschätztes Mittel der Prozessoptimierung. Denn Übersicht ist kein Luxus – sondern Voraussetzung für Sicherheit und Effizienz.


Unsichtbare Regeln, sichtbar gemacht: Warum Orientierung am Boden beginnt

Menschen sind visuelle Wesen. Studien wie jene der Universität Yale zeigen, dass Informationen, die optisch geführt werden, um 70 % schneller aufgenommen und behalten werden als rein akustische oder schriftliche Hinweise. In der Logistik, in der Produktion oder in öffentlichen Einrichtungen macht sich dieser Effekt besonders bemerkbar. Dort, wo viele Personen gleichzeitig in Bewegung sind, steigert optische Führung nicht nur die Produktivität – sie senkt auch die Unfallgefahr.

Denn Verwirrung kostet Zeit. Und nicht nur das: Fehlverhalten aufgrund mangelnder Orientierung führt häufig zu Sicherheitsproblemen, Lieferverzögerungen oder unnötigen Arbeitswegen. Unternehmen, die visuelle Leitsysteme einsetzen, berichten laut einer Erhebung des Instituts für Arbeitsforschung Dortmund von bis zu 25 % geringerer Fehlerquote in Lager- und Materialflüssen.

Wer den Blick auf den Boden lenkt, kann also Standards schaffen, die wortlos verstanden werden – unabhängig von Sprache, Qualifikation oder Tagesform.

Farben, Formen, Funktionen: So wirken Boden-Signale im Alltag

Nicht jede Fläche verlangt nach denselben Markierungen. Unterschiedliche Anforderungen brauchen maßgeschneiderte Lösungen. Ob Sicherheitsbereich, Transportzone, Fluchtweg oder Arbeitsplatz – die Wirkung steht und fällt mit der Klarheit der visuellen Sprache.

Nachfolgend eine Übersicht gängiger Einsatzarten und was sie im Betrieb leisten:

Einsatzbereich Ziel der visuellen Führung
Materialfluss Reduktion von Umwegen, schnellere Wegeführung
Gefahrenzonen Unfallprävention durch Abgrenzung gefährlicher Bereiche
Flucht- und Rettungswege Sicherstellung gesetzlicher Vorgaben
Arbeitsplätze Optimierung von Stellflächen, ergonomisches Arbeiten
Besucherführung Minimierung von Verwirrung, professioneller Eindruck

Dabei geht es nicht nur um das Ob, sondern vor allem um das Wie. Kontraste, Wiedererkennbarkeit und Witterungsbeständigkeit entscheiden über die Langzeitwirkung. Eine durchgängige Logik in der Gestaltung ist essenziell – sonst verliert die Maßnahme an Glaubwürdigkeit.

Bodenmarkierungen auf einer Strasse werden von Arbeitern in Warnkleidung mit einer Markiermaschine und weissem Farbstreifen aufgetragen

Gesetzliche Vorgaben: Was Betriebe wirklich wissen müssen

Die rechtlichen Anforderungen sind klar definiert. Die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR A1.3) und die DIN EN ISO 7010 geben verbindliche Vorgaben zu Sicherheitskennzeichnungen und Markierungen am Arbeitsplatz. Wer davon abweicht, riskiert nicht nur Unfälle, sondern auch Bußgelder oder Regressansprüche.

Besonders in Produktionsumgebungen, in denen Gabelstapler, Maschinen und Personen aufeinandertreffen, gelten hohe Anforderungen an Sichtbarkeit, Abriebfestigkeit und Rutschhemmung. Die Farben Rot (Gefahr), Gelb (Warnung), Grün (Fluchtwege) und Blau (Hinweise) haben klar definierte Bedeutungen, die nicht frei wählbar sind.

Dennoch bleibt ausreichend Spielraum für unternehmensspezifische Systeme – solange diese klar kommuniziert und dokumentiert sind. Wer auf Standards setzt, schützt nicht nur sich, sondern auch seine Mitarbeiter und Besucher.

Drei Fragen, die sich jedes Unternehmen stellen sollte

Wer neu strukturiert oder bestehende Markierungen hinterfragt, sollte intern mit folgenden Leitfragen arbeiten:

  1. Welche Zonen oder Wege führen heute zu Missverständnissen oder Verzögerungen?

  2. Welche Informationen sollten schneller erkennbar sein – und an welcher Stelle?

  3. Wie kann visuelle Führung bestehende Prozesse unterstützen, statt sie zu behindern?

Diese Fragen bilden den Auftakt für eine strukturierte Optimierung – nicht durch mehr Regeln, sondern durch klarere Kommunikation.

Von der Planung zur Wirkung: Wie die Umsetzung gelingt

Die Einführung visueller Leitsysteme erfordert keine komplexe Technologie – wohl aber ein durchdachtes Vorgehen. Eine schrittweise Umsetzung hat sich dabei besonders bewährt. Denn sie erlaubt Tests im laufenden Betrieb und verhindert Widerstände bei den Mitarbeitenden.

Hier eine Checkliste zur Umsetzung im eigenen Unternehmen:

Schritt
Ist-Analyse: Wo fehlen derzeit Orientierungshilfen?
Zieldefinition: Welche Effekte sollen erreicht werden?
Farb- und Formenkonzept definieren
Materialien auswählen (Abriebfestigkeit, Innen-/Außenbereich etc.)
Umsetzung in Testzonen starten
Feedback der Mitarbeitenden einholen
Nachbessern, dann Rollout im gesamten Betrieb
Dokumentation und Schulung durchführen

Ein entscheidender Erfolgsfaktor: Die neue Struktur muss nicht erklärt, sondern verstanden werden – das ist der Maßstab für gute visuelle Führung.

Praxisbeispiel: Mehr Sicherheit mit einfachen Mitteln

Ein mittelständisches Unternehmen der Verpackungsindustrie hatte mit häufigen Beinaheunfällen in seinem Warenlager zu kämpfen. Die Ursache: unklare Laufwege, fehlende Abgrenzungen zwischen Personen- und Staplerverkehr. Statt auf teure digitale Assistenzsysteme zu setzen, entschied sich die Geschäftsführung für eine konsequente visuelle Trennung.

Nach Einführung farblich klar definierter Wege, Warnzonen und Stellflächen sank die Zahl der Vorfälle laut interner Erhebung um 80 % innerhalb eines halben Jahres. Zudem gaben über 90 % der befragten Mitarbeitenden an, sich im Lager sicherer und strukturierter zu fühlen.

Das Beispiel zeigt: Wirkung entsteht nicht durch Technologie, sondern durch Klarheit.

Bodenmarkierungen in einer grossen Lagerhalle zeigen gelbe Wege, Sicherheitsstreifen und Barrieren zur Fussgaengerfuehrung

Ein kurzer Blick in die Zukunft: Was automatisierte Systeme erwarten

Mit dem zunehmenden Einsatz autonomer Transportsysteme (FTS) wächst auch der Anspruch an Bodenführungssysteme. Die Bodenmarkierungen von heute werden zur Navigationshilfe von morgen. Sensoren und Kameras erkennen Markierungen als Ankerpunkte. Wer also heute in Klarheit investiert, legt den Grundstein für digitale Integrationen.

Gleichzeitig wird der Mensch weiter mitdenken und entscheiden müssen – nur eben in einem System, das ihn unterstützt.

Experteninterview: „Wenn Orientierung fehlt, entstehen Fehler im Kopf“

Im Gespräch mit Dipl.-Ing. Katrin Becker, Arbeitspsychologin und Spezialistin für Prozessgestaltung im Mittelstand. Sie berät seit über 15 Jahren Unternehmen bei der Umsetzung sicherheitsrelevanter Maßnahmen und visueller Systeme.

Frau Becker, Sie sagen: „Orientierung ist eine psychologische Grundvoraussetzung für sicheres Arbeiten.“ Was meinen Sie damit genau?

Katrin Becker: Menschen brauchen nicht nur Regeln, sondern auch sichtbare Strukturen. Wenn jemand nicht weiß, wo er sich bewegen darf oder wo er eine Tätigkeit ausführen soll, erzeugt das Stress. Und Stress reduziert die Aufmerksamkeit. Das heißt: Fehlverhalten beginnt im Kopf – nicht am Fußboden.

Woran erkennt man, dass es an visueller Führung mangelt – auch wenn es nicht direkt kracht oder scheppert?

Becker: Oft sind es Kleinigkeiten: Mitarbeitende, die ständig nachfragen müssen. Material, das quer im Raum steht. Laufwege, die sich kreuzen. Auch das Sicherheitsgefühl ist ein guter Indikator. Wenn man sich in einer Halle unsicher fühlt, fehlt meist nicht mehr Technik, sondern mehr Orientierung.

Welche Fehler sehen Sie bei der Umsetzung am häufigsten?

Becker: Der größte Fehler ist, Markierungen rein technisch zu denken – also zu sagen: „Da muss halt ein Strich hin.“ Damit schafft man keine Akzeptanz. Gute Bodenmarkierungen kommunizieren etwas. Und sie brauchen eine Logik, die sich durchzieht. Außerdem: Es bringt nichts, wenn die Farbe nach zwei Wochen abgelaufen ist oder unter Paletten verschwindet. Wer auf Qualität und Beteiligung achtet, hat länger etwas davon.

Wie wichtig ist die Einbindung der Mitarbeitenden?

Becker: Extrem wichtig! Niemand kennt die täglichen Abläufe besser als die Leute, die sie leben. Deshalb sollte man sie von Anfang an einbinden – nicht nur bei der Planung, sondern auch bei der Bewertung später. Oft sehen Mitarbeitende Optimierungspotenzial, das Planer von außen übersehen.

Was empfehlen Sie einem kleinen Unternehmen, das zum ersten Mal strukturiert Bodenführung einführen will?

Becker: Erst beobachten, dann entscheiden. Also nicht sofort loskleben, sondern schauen: Wo entstehen Engstellen? Wo gibt es Sicherheitsprobleme? Dann gezielt beginnen – vielleicht mit nur einem Bereich – und schauen, wie es wirkt. Und ganz wichtig: Regeln visuell erklären, nicht nur schriftlich.

Ein kurzer Blick in die Zukunft – was verändert sich in den nächsten Jahren in diesem Bereich?

Becker: Es geht Richtung Kombination. Also physische Markierungen, ergänzt durch digitale Hinweise. Augmented Reality, smarte Sensorik, sogar personalisierte Wegführung. Aber die Basis bleibt: Menschen müssen sich sicher fühlen – nicht überfordert. Und dazu braucht es einfache, sichtbare Orientierung.

Ihr wichtigster Satz zum Schluss, Frau Becker?

Becker: Gute Führung beginnt auf dem Boden – wortwörtlich.

Klare Wege, starke Wirkung

Eine saubere Linie auf dem Boden mag unscheinbar wirken – doch sie verändert, wie wir denken, wie wir handeln, wie wir arbeiten. Die besten Prozesse sind oft die, die niemand bemerkt. Sie funktionieren einfach.

Wer seine Flächen strukturieren lässt, reduziert Komplexität – und gewinnt Übersicht. Ob Produktionshalle oder Klinikflur, ob Lager oder Eingangsbereich: Wer sichtbar führt, arbeitet sicherer – und besser.

Bildnachweis: Adobe Stock/ Natchanok, illustrez-vous, Thanakorn

BCF Theme By aThemeArt - Proudly powered by WordPress.
NACH OBEN